Eine mittelalterliche Reise in der falschen Jahreszeit?






Überblick über Le Puy-en-Velay
Für die Winterferien in diesem Jahr haben meine Familie und ich ein bisschen den Süd-Osten von Clermont-Ferrand erkundet. Doch schon bereits bei unserer ersten Etappe, dem Besuch meiner ehemaligen Gastfamilie, wurde uns gesagt: „Die Auvergne ist wunderschön, aber ihr seid zur falschen Jahreszeit gekommen.“
Nicht entmutigt, haben wir uns dennoch auf ein paar Tage Entspannung und Entdeckungsreise gefreut. Von dem kleinen Dörfchen Saint-Jean-de-Bournay ging es also weiter in Richtung Le Puy-en-Velay, eine schöne und kleine Stadt, die an einem leichten Hügel (einem ursprünglichen Vulkan) und dem Ufer der Borne gelegen ist. Als einer der ältesten Pilgerorte, gehört sie zudem zum Jakobsweg und ist Ziel zahlreicher Wanderer. Schon von weitem sieht man die Kathedrale Notre-Dame-du-Puy, die Statue Notre-Dame de France und die Kirche Saint-Michel im Nachbarörtchen Aiguilhe sowie die Festung von Polignac.

Notre-Dame de France - Saint-Michel - Notre-Dame-du-Puy
Der erste Stein der Kathedrale Notre-Dame-du-Puy wurde schon im 11. Jahrhundert gelegt. Seitdem wurde sie, der Ausweitung der Stadt folgend, stetig vergrößert und bis heute mehrmals restauriert und teilweise sogar rekonstruiert. An sie schließt sich das gleichnamige Kloster an, welches auch für Besichtigungen zugänglich ist. Zudem ist die Kathedrale ein Ort der Verehrung der Schwarzen Madonna, die den kirchlichen Festen folgend ihren Mantel wechselt, die meistens von den Bewohnern der Stadt oder den Klosterschwestern gefertigt wurden.

Schwarze Madonna
Zwischen den Ruinen der Festung und der Altstadt von Polignac fühlt man sich in das Mittelalter zurück versetzt. Die vielen ausgegrabenen und gut erhaltenen Überreste der ehemaligen Verteidigungsanlage, die dank ihrer erhöhten Position kein Gegner überraschen konnte, geben einem einen guten Einblick in das damalige Leben. Der Bezeichnung der Bewohner Polignacs als „Les Rois des Montagnes“, die Könige der Berge, ist auf einen Besuch des Königs Francois I. zurückzuführen. Ab dem 17. Jahrhundert wurde die Festung zwar nicht mehr bewohnt, ist aber im Familienbesitz geblieben. Interessanterweise zieht sich eben dieser Familienstammbaum der Polignacs bis zu Albert II., Prinz von Monaco.


Ausblick von der Festung Polignacs
Nach 268 Stufen hat man auch den Berg zur Kirche St. Michel erklommen, ein Ort, der der Legende nach früher das Tor zu Eden dargestellt hat. In der Antike ein Tempel zu Ehren von Merkur, wurde die heutige Kapelle erst im 11. Jahrhundert auf dessen Überresten errichtet. Von dort oben streckt sich die Stadt Le Puy-en-Velay unter dem Blick des Betrachters aus. 

Bleibt noch die Statue Notre-Dame de France, eine 16m große Statue komplett aus Gusseisen, erbaut zwischen 1856 und 1860. Die Statue steht bereits auf einer kleinen Erhebung und in ihrem Inneren selbst befindet sich sogar noch eine Treppe, so dass man durch die Krone Marias den Ausblick genießen kann. 

Mir persönlich haben Le Puy-en-Velay und dessen Umgebung sehr gut gefallen. Die Natur ist selbst nach der langen Winterpause wunderschön und in all den alten Ruinen, der Kathedrale mit den Kapellen und selbst in den kleinen Gässchen liegt ein unbestimmter Zauber.

Nach zwei Tagen Entdeckungstour ging es ca. 2 Stunden weiter zum Lac Chambon. Die Sonne, die uns die ersten drei Tage lang begleitet hatte, wich nun einer Abwechslung von Regen, Nebel und Wind. Die Landschaft, die während der Fahrt an uns vorbeizog, wirkte in der nassen Kälte trostlos und einsam. Die überall gepriesene Schönheit der Auvergne, die sich mit dem Frühling entfalten wird, ließ sich nur erahnen. Der Lac Chambon ist ein sehr schöner See, eingekesselt von mehreren Hügeln. Auf der einen Seite gesäumt von Ferienanlagen, geht der Rundgang von ca. 1 Stunde weiter am Wald entlang. Zudem sind von Lac Chambon aus, auch gut und schnell die Städte Murol und Saint-Nectaire in Richtung Osten und Le Mont-Dore in Richtung Westen zu erreichen. 

Lac Chambon
In Saint Nectaire nahmen wir an einer Führung über die Herstellung des gleichnamigen Käses teil. Wusstet ihr, dass diese geographisch auf die Region des Puy-de-Dôme und einen kleinen Teil des Cantal beschränkt ist? Die Begründung liegt in der besonderen Pflanzenvielfalt auf den Weiden, die der reichhaltige Vulkanboden fördert und die sich natürlich auf den Geschmack der Milch auswirkt. Für die Herstellung von einem einzigen Käse benötigt man davon ca. 13-14 Liter. Außerdem ist die gesetzlich vorgeschriebene Reifezeit 28 Tage, wobei die traditionelle Reifezeit bei ca. 9 Wochen liegt, damit der Käse sein volles Aroma entfalten kann. Natürlich ist die Herstellung weit komplexer und sehr interessant, weswegen ich jedem eine solche Führung durch den Käsekeller empfehlen kann. 

Nähert man sich Le Mont-Dore, so nähert man sich auch dem höchsten Berg des Massif central, dem Puy-de-Sancy, mit 1885 m. Im Sommer sicherlich ein Paradies für Wanderer, tummelt es dort in der Schneezeit nur so von Skifahrern. Das Örtchen an sich ist klein, überschaulich und auf den Tourismus ausgelegt. Sport (Ski, Wandern) und Entspannung (z.B. in den bekannten Thermal- und Kurbädern) gehen hier Hand in Hand. 

Während unserer kleinen Rundreise hatten wir die Gelegenheit, auch zahlreiche Spezialitäten der Auvergne zu probieren. Angefangen bei Aligot und Truffade, über Pounti, Entrecote und Lentilles du Puy. Nicht zu vergessen Wurst und Käse: die allgemeinen charcuteries auvergnates, Saint Nectaire, Cantal etc. Und zum krönenden Abschluss eine Brioche pralinée oder eine Tarte aux Myrtilles

Jeder der sich jetzt ein bisschen motiviert fühlt, die Auvergne näher zu erkunden, dem kann ich nur weiter zusprechen. Die Auvergne ist eine Region, die viel zu bieten hat, eine sich stets wandelnde, atemberaubende Landschaft, herzliche Menschen und immer etwas Leckeres als Wegverzehr. Herbst und Winter erscheinen hierbei nicht als „falsche Jahreszeit“, sondern lediglich als Pause, in der die Region all ihre Kräfte sammelt, nur um im Frühling und Sommer sich mit all ihrer Pracht dem Bewunderer zu zeigen.

Gesina Kann

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